Der stille Weltmeister
Es gibt sie tatsächlich. Männer, die selber große Erfolge mit dem deutschen Rekordmeister gefeiert haben, die halfen, den FC Bayern so groß zu machen, wie er ist, und die noch immer ihren Beitrag leisten - und all das, ohne ins Rampenlicht zu drängen. Männer wie Johannes "Hansi" Pflügler. Jetzt war er zu Gast bei ABT.
„Mit Markus Winkelhock am Steuer im Schaeffler-Innovationsrenntaxi über den Lausitzring zu fahren war toll. Eine super Erfahrung, das hat mir richtig Spaß gemacht“, erzählt Pflügler rückblickend, als Sportmarketingchef Harry Unflath ihn in Kempten begrüßt. 2023 war der heiße Ritt im Rahmenprogramm der DTM. Klaus Augenthaler, Pflüglers langjähriger Teamkollege beim FC Bayern und in der Nationalmannschaft, hatte den Kontakt zu den „Äbten“ hergestellt, die auch das Schaeffler-Renntaxi betreuen. Und natürlich folgte auf den Rennstreckenbesuch auch für Pflügler eine Einladung zum Blick hinter die Kulissen im ABT Hauptquartier in Kempten. Jetzt war es so weit. Der Besuch so nah an der Fußball-EM – klar, dass auch das dramatische Viertelfinal-Aus der deutschen Nationalmannschaft gegen Spanien ein Gesprächsthema ist. „Wie siehst du als ehemaliger Profi und Fachmann das Handspiel von dem Spanier?“, fragt Unflath. Pflüglers klare Meinung: „Eine Katastrophe! Der Schiedsrichter hätte sich die Szene zumindest anschauen müssen. Wofür sonst hat man denn den VAR? Das war eine klare Fehlentscheidung. Wenn das kein Handspiel war, brauchst du gar keines mehr zu pfeifen.“ Trotz des unglücklichen Ausscheidens („Hätten wir einen anderen Schiri gehabt, wer weiß, wie weit unsere Jungs noch gekommen wären …“) wertet Pflügler den Gesamtauftritt der Nationalmannschaft bei der Heim-Europameisterschaft unter Bundestrainer Julian Nagelsmann als positiv. Er verteilt sogar verbal einen Ritterschlag, den Vergleich mit einer der größten Mannschaften, die der deutsche Fußball jemals hatte. Pflügler: „Das wirkte für mich dieses Jahr ähnlich wie damals bei uns. Eine geschlossene Mannschaft, gute Stimmung, ja, ein verschworener Haufen. Jeder stellte sich in den Dienst der Mannschaft und für das gemeinsame große Ziel.“
"Weltmeister bleibt man immer"
Mit „damals“ meint Pflügler die WM 1990, den grandiosen wie legendären Titelgewinn in Italien, in Rom. Deutschland Weltmeister, zum dritten Mal.
„Ich war dabei“, sagt Pflügler und lacht. 90 Minuten spielte er beim 1:1 im dritten Gruppenspiel gegen Kolumbien, vertrat dabei als linker Verteidiger den gelbgesperrten Andreas Brehme, den späteren Schützen des entscheidenden Elfmeters im Finale gegen Argentinien (1:0). Pflüglers elftes Länderspiel war zugleich sein letztes – und bedeutsamstes. „Weltmeister bleibt man immer“, lächelt er bescheiden und erinnert sich: „Es war eine große Ehre, unter Teamchef Franz Beckenbauer und in dieser Mannschaft zu spielen. Alle waren auf dem Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit, und wir waren auch eine verschworene Gemeinschaft. Unter uns Ersatzspielern gab es keinen Stunk, jeder war darauf aus, dass die Mannschaft den größtmöglichen Erfolg hat.
Titel, Dramen und Freunde fürs Leben
Weltmeister, fünfmal Deutscher Meister (1985, 1986, 1987, 1989, 1990) und dreimal DFB-Pokalsieger (1982, 1984, 1986) mit seinem FC Bayern – neben herausragenden Erfolgen hat Pflügler als Spieler aber auch sportliche Dramen erlebt: 1982 die 0:1-Niederlage gegen Aston Villa im Finale des Europapokals der Landesmeister (inzwischen Champions League). Damals noch als im Endspiel in Rotterdam nicht eingesetzter 22-jähriger Youngster.
Und natürlich 1987 das Drama in Wien, das 1:2 gegen den damaligen portugiesischen Meister FC Porto. Seit der 25. Spielminute hatte Bayern im Praterstadion durch ein Kopfball-Tor von Ludwig „Wiggerl“ Kögl geführt – ehe Madjer per Absatz (77.) und Juary (80.) das Spiel unerwartet drehten. „Das wär’s schon noch gewesen, aber es hat nicht sollen sein“, sagt Pflügler heute über den verpassten Henkelpott. Eine große, damals schon namhafte Mannschaft war das, in der Pflügler Stammspieler war, unter anderem mit der belgischen Legende Jean-Marie Pfaff im Tor. Mit dem Rekordnationalspieler und WM-Kapitän Lothar Matthäus. Mit Bayerns späterem Sieben-Titel-Trainer Hansi Flick, seit Kurzem Coach des FC Barcelona. Mit Dieter Hoeneß, Uli-Bruder und Vater des VfB-Stuttgart-Trainers Sebastian. Und Torschütze Kögl, dem Berater von Bayern-Ikone Thomas Müller. „Das Schöne ist, dass wir heute noch immer Kontakt haben, mit Hansi, mit Wiggerl, mit vielen anderen auch“, sagt Pflügler. Auch mit dem wie Franz Beckenbauer Anfang dieses Jahres viel zu früh verstorbenen Andy Brehme hielt Pflügler Kontakt, traf ihn immer wieder in München. Pflügler, der gebürtige Freisinger, war 1975 als B-Jugendlicher vom SV Vötting-Weihenstephan zum FC Bayern gekommen, spielte 98 Mal – unterbrochen von vier Jahren bei Eintracht Freising (1997 bis 2001) – für die Bayern-Amateure (9 Tore), vor allem aber von 1981 bis 1992 insgesamt 276 Mal für die Profis (36 Tore). An der Säbener Straße in München reifte er unter Trainer-Legenden wie Pál Czernai und Udo Lattek zu einem Weltklassespieler. Seinem Verein hielt er auch nach dem Karriere-Ende die Treue. Selbstverständlich spielte er in der Legendenmannschaft, war zeitweilig sogar für deren Organisation verantwortlich. Und obendrein bestritt er 1995 unter Trainer Giovanni Trapattoni noch ein Bundesligaspiel für die Bayern gegen den 1. FC Kaiserslautern – drei Jahre nach dem offiziellen Ende seiner Profikarriere. Weil verletzungsbedingt Not am Mann war. Auf Pflügler, den flexiblen Allrounder, war und ist immer Verlass.
Eindrucksvoller MAN-Sattelschlepper-Fuhrpark: Harry Unflath zeigt Hansi Pflügler die Truckhalle im Motorsportzentrum
"Das Schöne ist, dass wir heute noch immer Kontakt haben, mit Hansi (Flick), mit Wiggerl (Kögl), mit vielen anderen auch."
Hansi Pflügler
Der Abräumer wird zum Merchandising-Pionier
„Einige von deinen ehemaligen Mitspielern sind heute als TV-Experten tätig, sind regelmäßig in Talkshows zu sehen. Warum ist das bei dir nicht so?“, fragt Harry Unflath.
„Ich muss mich nicht irgendwo präsentieren“, antwortet Pflügler. „Ich bin noch immer beim FC Bayern angestellt, und ich bin zufrieden mit allem, so, wie es ist.“ Er ist und bleibt ein stiller Weltmeister, wirkt lieber im Hintergrund. Als Teamplayer wie zu aktiven Spielerzeiten, nicht als Solist. Im Ausklang seiner aktiven Fußballer-Laufbahn spielte der Metzgerssohn (eine interessante Parallele zu Bayern-Patron Uli Hoeneß) für die Amateurmannschaft in der Bayern-Liga sowie in der Regionalliga Süd. Parallel dazu war Pflügler aber bereits einer der Pioniere im Merchandising-Geschäft des Rekordmeisters, das Uli Hoeneß nach US-amerikanischem Vorbild und führend in ganz Deutschland ab etwa Anfang der 90er-Jahre aufbaute.
„Das waren wilde Zeiten“, erinnert sich Bayern-Legende Pflügler, der ab 1992 in der neu geschaffenen Direktion Merchandising, Outlets und Lizenzen als Abteilungsleiter tätig war. „Damals hieß das noch Fanartikel-Verkauf. Unseren Katalog gab es alle zwei Jahre neu, inzwischen gibt es gefühlt alle 14 Tage neue Fan-Artikel. Und: Es gab damals vor Saisonbeginn immer einen Tag der offenen Tür an der Säbener Straße. Da kamen dann Tausende Fans – nicht nur, um das Training zu sehen. Es gab Autogrammstunden, die Fans durften hinter die Kulissen blicken, sogar auf der Geschäftsstelle. Heutzutage ist das nicht mehr möglich, einfach undenkbar, allein schon aus Sicherheitsgründen.“ Es waren die Anfänge des modernen FC Bayern heutiger Prägung mit inzwischen mehr als 1.000 Mitarbeitern. „Damals waren wir so wenige, dass wir vor Weihnachten die Bestellungen der Fans selbst in Pakete gepackt und verschickt haben. Auch Uli Hoeneß hat dabei mitgearbeitet“, erinnert sich Pflügler lachend. „Da wusstest du am Abend, was du getan hattest.“
Family-Business bei ABT und beim FCB
Dann sagt er zu Unflath: „Was mich neben den alten DTM-Rennwagen in eurem Museum, neben dem 1.000-PS-Auto und vielem mehr bei euch so beeindruckt, ist, dass das alles aus einem Familienunternehmen entstanden ist. Dass ihr noch immer ein Familienunternehmen seid, und dazu noch ein so großes und erfolgreiches.“
Auch der FC Bayern ist im Kern noch immer eine große Familie, Stichwort „Mia san mia“. Viele Kinder von Vereinsgrößen arbeiten längst für den Rekordmeister; man findet in allen Abteilungen Namen wie Breitner, Schwarzenbeck, Beierlorzer, Hoeneß und einige mehr.
Hansi Pflügler in Kürze
Name: Johannes Christian Pflügler
Geburtstag: 27. März 1960
Geburtsort: Freising
Größe: 1,82 Meter
Position: Abwehr, Mittelfeld
Privat: Verheiratet mit Petra, drei Kinder
Berufe:
- Studierter Stahlbau-Ingenieur,
- Profifußballer, Fanshop-Leiter,
- Betreiber der Pension Pflügler,
- internationaler Botschafter des FC Bayern München,
- Betreuer der Legendenmannschaft,
- Nachwuchsscout
- etc.
Stationen als Profi:
- 1981–1992: FC Bayern München (276 Spiele/36 Tore)
- 1987–1990: Nationalmannschaft (11/0)
Größte Erfolge:
- Weltmeister 1990 mit der Nationalmannschaft;
- 5 x Deutscher Meister (1985–1987, 1989, 1990),
- 3 x DFB-Pokalsieger (1982, 1984, 1986),
- Finalist im Europapokal der Landesmeister (1982, 1987),
alles mit dem FC Bayern München
Der FCB-Tausendsassa
„Was machst du heute genau bei den Bayern, Hansi?“, möchte Harry Unflath wissen. „So einiges“, sagt Pflügler und lacht. „Ich unterstütze Chef-Fahrer Bruno Kovacevic im Fuhrpark-Management, bin deswegen auch regelmäßig bei Audi in Ingolstadt. Und dann bin ich als Nachwuchsscout und Nachwuchstrainer unterwegs."
„Unterwegs? Wo? Wie meinst du das?“, hakt Unflath nach. Und Pflügler, der in seiner Heimatstadt Freising parallel noch die Pension seiner Familie führt, erzählt: „Der FC Bayern hat eine World Squad aus Nachwuchsspielern, um die sich zum Beispiel Klaus Augenthaler kümmert. Dann gibt es den internationalen Youth Cup, beides, um Talente zu sichten. Der Youth Cup wurde zuletzt im Olympiastadion gespielt. Und ich bin als Jugendscout für die 14- bis 16-Jährigen zuständig. Ich war zum Beispiel schon in Indien, habe dort Talente gesichtet. Ich war auch in Nigeria und werde sicher auch wieder nach Afrika reisen. Das macht mir großen Spaß. Trotzdem glaube ich, dass wir im deutschen Fußball darauf achten müssen, dass wir wieder mehr eigene Talente besser ausbilden, damit sie es in die internationale Spitze schaffen können. Solche Talente nämlich, die später einmal spielberechtigt sind für unsere Nationalmannschaft.“
Der nächste Besuch ist angekündigt
Zuletzt war Hansi Pflügler auf einem Kreuzfahrtschiff auf Reisen, im Nordmeer, an Norwegens Küste entlang, über Stavanger und Bergen Richtung Polarkreis. „Im Mittelmeer waren wir auch schon“, erklärt er: „Solche Reisen veranstalten wir für die Mitglieder im FC Bayern Kids Club. Und ich bin dann mit anderen Trainern dafür zuständig, die Kinder auf dem Schiff im Fußball zu trainieren.“
Klar ist schon jetzt, dass Hansi Pflügler auch bei ABT Sportsline mal wieder Station machen wird. Egal ob an einer DTM-Rennstrecke, bei der Formel E, bei einem 24-Stunden-Rennen oder wieder in Kempten in der Zentrale. „Der Blick hinter die Kulissen war für mich superinteressant“, sagt er. „Ganz besonders beeindruckend waren die technischen Entwicklungen und Zusammenhänge, die mir von den Mitarbeitern erklärt wurden. Beim nächsten Besuch erwarte ich allerdings schon, dass ich ein Auto mit 1.500 PS gezeigt bekomme“, scherzt er zum Abschied.
DTM-Gastspiel 2023 auf dem Lausitzring:
Hansi Pflügler überreichte ABT Pilot Kelvin van der Linde den Pokal für P3 und fuhr im Schaeffler-Renntaxi mit.
Fazit:
"Ich habe während der Fahrt nur gelacht. Es war unglaublich, mit welcher Geschwindigkeit man in einem Rennauto unterwegs ist und wie spät gebremst wird."